Die Weihnachtsseiten bei Kessie

Ich wünsche dir eine schöne Weihnachtszeit

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Weihnachtsgeschichten

Lebkuchenplätzchen - Angelika Schütze

Alle Jahre wieder

Der Tannenbaum - H.C. Andersen

Der Schneemann - H.C. Andersen

Die besondere Weihnachtsgeschichte - Oliver Kalkofe

Lebkuchenplätzchen zurück zur Übersicht

- Angelika Schütze -

Es ist der Samstagabend vor dem dritten Advent. Der Weihnachtsmann liegt in
seinem Schaukelstuhl. Seine Engelchen schlafen schon alle und er langweilt sich
ein wenig. Da kommt ihm der Gedanke: Eigentlich könnte ich ja Lebkuchen backen.
Diese Lebkuchenplätzchen kann ich dann den Kindern schenken. Gedacht, getan. Er geht in die Küche, bindet sich eine rote Schürze um und stellt die Zutaten bereit: Honig, Zucker, Kokosfett, Mehl, Zimt, gemahlene Nelken, Kakao, Pottasche, Rosenwasser und 2 Eier. Nachdem alle Zutaten verarbeitet sind, nimmt er ein klein wenig vom Teig, um zu probieren, ob er genau so schmeckt wie im Vorjahr. Doch was ist das? Der Teig schmeckt ja gar nicht nach Weihnachten. Was mag er wohl vergessen haben? Der Weihnachtsmann überlegt und überlegt. Er wurde schon ein wenig traurig, als es ihm einfiel. Ich habe das Kardamom vergessen. Nun begann die große Suche. Ihr müsst wissen, dass sonst die Engelchen für ihn backen und er sich in der Küche nicht besonders auskannte.
Bei seiner Suche fiel eine große Schüssel mit lautem Krach auf den Boden. Hoffentlich habe ich jetzt kein Engelchen geweckt, dachte der Weihnachtsmann. Doch das hatte er. Die Küchentür öffnete sich langsam und ein verschlafenes Engelchen kam herein. „Was machst Du denn hier,“ fragte es erstaunt. „Ich wollte Lebkuchen backen, aber ich finde das Kardamom nicht“. „Da kann ich Dir helfen. Schau einmal im oberen Schrank in der linken Schublade nach.“ Das tat der Weihnachtsmann dann auch und war heil froh, als er es tatsächlich fand. „Soll ich Dir beim Backen helfen?“ „Aber Du bist doch müde!“ „Nein,“ sagte das Engelchen,“ jetzt nicht mehr und zu zweit geht es auch schneller.“
Der Weihnachtsmann war einverstanden. Das Kardamom wurde nun unter den Teig geknetet und nun schmeckte er auch nach Weihnachten. Das Engelchen holte die Förmchen aus dem Schrank und sie steckten gemeinsam Figuren aus dem Teig, legten sie auf ´s Blech und schoben sie in den Ofen.
Beide hatten schon rote Wängelchen vor lauter Eifer. Der Weihnachtsmann dachte: Das Engelchen hatte recht, zu zweit geht es wirklich viel besser und es ist auch nicht so langweilig. Es roch so gut in der Küche und nach einer Weile waren alle Plätzchen fertig. „Nun habe ich doch noch für meine Kinder Lebkuchenplätzchen backen können, es ist gut, dass Du mir geholfen hast.“ „Das habe ich gerne getan,“ erwiderte das Engelchen,“ aber nun wünsche ich Dir eine gute Nacht, ich bin jetzt doch wieder müde geworden.“
Nachdem der kleine Engel wieder fort war, räumte der Weihnachtsmann noch etwas die Küche auf und setzte sich wieder in seinen Schaukelstuhl. Zufrieden schloss er die Augen und war ruckzuck eingeschlafen.

Alle Jahre wieder oder die Eskalation der Besinnlichkeit zurück zur Übersicht

- Verfasser unbekannt -

Montag, 11.September:
Schönster Altweibersommer - Noch einmal Menschen in T-Shirt und Sandalen in den Straßencafes und Biergärten. Bisher keine besonderen Vorkommnisse in der Hauptstraße. Dann plötzlich um 10:47 Uhr kommt der Befehl von Aldi- Geschäftsführer Erich B.: "Fünf Paletten Lebkuchen und Spekulatius in den Eingangsbereich!"
Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst reagiert REWE -Geschäftsführer Martin O. eher halbherzig mit einem erweiterten Kerzensortiment und Marzipankartoffeln an der Kasse.
15:07 Uhr: Edeka-Marktleiter Wilhelm T. hat die Mittagspause genutzt und operiert mit Lametta und Tannengrün in der Wurstauslage.
16:02 Uhr: Die Filialen von Penny und Extra bekommen Kenntnis von der Offensive, können aber aufgrund von Lieferschwierigkeiten nicht gegenhalten und fordern ein Weihnachtsstillstandsabkommen bis zum 16.September. Die Gespräche bleiben ohne Ergebnis.
Dienstag; 12.September: 07:30 Uhr: Im Eingangsbereich von Karstadt bezieht überraschend ein Esel mit Rentierschlitten Stellung, während zwei Weihnachtsmänner vom studentischen Nikolausdienst vorbeihastende Schulkinder zu ihren Weihnachtswünschen verhören. Zeitgleich erstrahlt die Kaufhausfassade im gleißenden Schein von 260.000 Elektrokerzen. Die geschockte Konkurrenz kann zunächst nur ohnmächtig zuschauen. Immerhin haben jetzt auch Karstadt, C&A und Real den Ernst der Lage erkannt.
Mittwoch; 13.September:
09:00 Uhr: Edeka setzt Krippenfiguren ins Gemüse.
09:12 Uhr: Minimal kontert mit massivem Einsatz von Rauschgoldengeln im Tiefkühlregal.
10:05 Uhr: Bei Karstadt verirren sich Dutzende Kunden in einem Wald von Weihnachtsbäumen.
12:00 Uhr: Neue Dienstanweisung bei Extra: An der Käsetheke wird mit sofortiger Wirkung ein "Frohes Fest" gewünscht. Die Schlemmerabteilung von Real kündigt für den Nachmittag Gegenmaßnahmen an.
Donnerstag; 14.September:
07:00 Uhr: Karstadt schaufelt Kunstschnee in die Schaufenster.
08:00 Uhr: In einer eilig einberufenen Krisensitzung fordert der aufgebrachte Penny- Geschäftsführer Walter T. von seinen Mitarbeitern lautstark: "Weihnachten bis zum Äußersten" und verfügt den pausenlosen Einsatz der von der Konkurrenz gefürchteten CD: "Weihnachten mit Mireille Matthieu" über Deckenlautsprecher. Der Nachmittag bleibt ansonsten ruhig.
Freitag; 15.September:
08:00 Uhr: Anwohner der Hauptstraße versuchen mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung die nun von Karstadt angedrohte Musikoffensive "Heiligabend mit den Flippers" zu stoppen.
09:14 Uhr: Ein Aldi- Sattelschlepper mit Pfeffernüssen rammt den Posaunenchor "Adveniat", der gerade vor Karstadt zum großen Weihnachtsoratorium ansetzen wollte.
09:30 Uhr: Aldi dementiert. Es habe sich bei der Ladung nicht um Pfeffernüsse, sondern Christbaumkugeln gehandelt.
18:00 Uhr: In der Stadt kommt es kurzfristig zu ersten Engpässen in der Stromversorgung als der von Tengelmann beauftragte Rentner Erwin Z. mit seinem Flak- Scheinwerfer Marke "Varta Volkssturm" den Stern von Bethlehem an den Himmel zeichnet.
Sonnabend; 16.September:
Die Fronten verhärten sich; die Strategien werden zunehmend aggressiver.
10:37 Uhr: Auf einem Polizeirevier meldet sich die Diabetikerin Anna K. und gibt zu Protokoll, sie sei soeben auf dem REWE-Parkplatz zum Verzehr von Glühwein und Christstollen gezwungen worden. Die Beamten sind ratlos.
12:00 Uhr: Seit gut einer halben Stunde beschießen Karstadt, Edeka und Rewe die Einkaufszone mit Schneekanonen. Das Ordnungsamt mahnt die Räum- und Streupflicht an. Umsonst!
14:30 Uhr: Teile des Stadtbezirks sind unpassierbar. Eine
Hubschrauberstaffel des Bundesgrenzschutzes beginnt mit der Bergung von Eingeschlossenen: Menschen wie Du und ich, die nur mal in der schönen Herbstsonne bummeln wollten.

In diesem Sinne: Frohes Fest !!

Der Tannenbaum zurück zur Übersicht

 Hans Christian Andersen -

Draußen im Walde stand ein niedlicher, kleiner Tannenbaum; er hatte einen guten Platz, Sonne konnte er bekommen, Luft war genug da, und ringsumher wuchsen viel größere Kameraden, sowohl Tannen als Fichten. Aber dem kleinen Tannenbaum schien nichts so wichtig wie das Wachsen; er achtete nicht der warmen Sonne und der frischen Luft, er kümmerte sich nicht um die Bauernkinder, die da gingen und plauderten, wenn sie herausgekommen waren, um Erdbeeren und Himbeeren zu sammeln. Oft kamen sie mit einem ganzen Topf voll oder hatten Erdbeeren auf einen Strohhalm gezogen, dann setzten sie sich neben den kleinen Tannenbaum und sagten: “Wie niedlich klein ist der!“ Das mochte der Baum gar nicht hören.
Im folgenden Jahre war er ein langes Glied größer, und das Jahr darauf war er um noch eins länger, denn bei den Tannenbäumen kann man immer an den vielen Gliedern, die sie haben, sehen, wie viele Jahre sie gewachsen sind.
“Oh, wäre ich doch so ein großer Baum wie die andern!“ seufzte das kleine Bäumchen. “Dann könnte ich meine Zweige so weit umher ausbreiten und mit der Krone in die Welt hinausblicken! Die Vögel würden dann Nester zwischen meinen Zweigen bauen, und wenn der Wind weht, könnte ich so vornehm nicken, gerade wie die andern dort!“
Er hatte gar keine Freude am Sonnenschein, an den Vögeln und den roten Wolken, die morgens und abends über ihn hinsegelten.
War es nun Winter und der Schnee lag ringsumher funkelnd weiß, so kam häufig ein Hase angesprungen und setzte gerade über den kleinen Baum weg. Oh, das war ärgerlich! Aber zwei Winter vergingen, und im dritten war das Bäumchen so groß, dass der Hase um es herumlaufen musste. “Oh, wachsen, wachsen, groß und alt werden, das ist doch das einzige Schöne in dieser Welt!“ dachte der Baum.
Im Herbst kamen immer Holzhauer und fällten einige der größten Bäume; das geschah jedes Jahr, und dem jungen Tannenbaum, der nun ganz gut gewachsen war, schauderte dabei; denn die großen, prächtigen Bäume fielen mit Knacken und Krachen zur Erde, die Zweige wurden abgehauen, die Bäume sahen ganz nackt, lang und schmal aus; sie waren fast nicht zu erkennen. Aber dann wurden sie auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie davon, aus dem Walde hinaus.
Wohin sollten sie? Was stand ihnen bevor?
Im Frühjahr, als die Schwalben und Störche kamen, fragte sie der Baum: “Wißt ihr nicht, wohin sie geführt wurden? Seid ihr ihnen begegnet?“
Die Schwalben wussten nichts, aber der Storch sah nachdenkend aus, nickte mit dem Kopfe und sagte: “Ja, ich glaube wohl; mir begegneten viele neue Schiffe, als ich aus Ägypten flog; auf den Schiffen waren prächtige Mastbäume; ich darf annehmen, dass sie es waren, sie hatten Tannengeruch; ich kann vielmals von ihnen grüßen, sie sind schön und stolz!“
“Oh, wäre ich doch auch groß genug, um über das Meer hinfahren zu können! Was ist das eigentlich, dieses Meer, und wie sieht es aus?“
“Ja, das ist viel zu weitläufig zu erklären!“ sagte der Storch, und damit ging er.
“Freue dich deiner Jugend!“ sagten die Sonnenstrahlen; “freue dich deines frischen Wachstums, des jungen Lebens, das in dir ist!“
Und der Wind küsste den Baum, und der Tau weinte Tränen über ihn, aber das verstand der Tannenbaum nicht.
Wenn es gegen die Weihnachtszeit war, wurden ganz junge Bäume gefällt, Bäume, die oft nicht einmal so groß oder gleichen Alters mit diesem Tannenbäume waren, der weder Rast noch Ruhe hatte, sondern immer davon wollte; diese jungen Bäume, und es waren gerade die allerschönsten, behielten immer alle ihre Zweige; sie wurden auf Wagen gelegt, und Pferde zogen sie zum Walde hinaus.
“Wohin sollen diese?“ fragte der Tannenbaum. “Sie sind nicht größer als ich, einer ist sogar viel kleiner; weswegen behalten sie alle ihre Zweige? Wohin fahren sie?“
“Das wissen wir! Das wissen wir!“ zwitscherten die Meisen. “Unten in der Stadt haben wir in die Fenster gesehen! Wir wissen, wohin sie fahren! Oh, sie gelangen zur größten Pracht und Herrlichkeit, die man sich denken kann! Wir haben in die Fenster gesehen und erblickt, dass sie mitten in der warmen Stube aufgepflanzt und mit den schönsten Sachen, vergoldeten Äpfeln, Honigkuchen, Spielzeug, und vielen hundert Lichtern geschmückt werden.“
“Und dann?“ fragte der Tannenbaum und bebte in allen Zweigen. “Und dann? Was geschieht dann?“ “Ja, mehr haben wir nicht gesehen! Das war unvergleichlich schön!“
“Ob ich wohl bestimmt bin, diesen strahlenden Weg zu betreten?“ jubelte der Tannenbaum. Das ist noch besser als über das Meer zu ziehen! Wie leide ich an Sehnsucht! Wäre es doch Weihnachten! Nun bin ich hoch und entfaltet wie die andern, die im vorigen Jahre davon geführt wurden! Oh, wäre ich erst auf dem Wagen, wäre ich doch in der warmen Stube mit all der Pracht und Herrlichkeit! Und dann? ja, dann kommt noch etwas Besseres, noch Schöneres, warum würden sie mich sonst so schmücken? Es muss noch etwas Größeres, Herrlicheres kommen! Aber was? Oh, ich leide, ich sehne mich, ich weiß selbst nicht, wie mir ist!“
“Freue dich unser!“ sagten die Luft und das Sonnenlicht; “freue dich deiner frischen Jugend im Freien!“
Aber er freute sich durchaus nicht; er wuchs und wuchs, Winter und Sommer stand er grün; dunkelgrün stand er da, die Leute, die ihn sahen, sagten: “Das ist ein schöner Baum!“ und zur Weihnachtszeit wurde er von allen zuerst gefällt. Die Axt hieb tief durch das Mark; der Baum fiel mit einem Seufzer zu Boden, er fühlte einen Schmerz, eine Ohnmacht, er konnte gar nicht an irgendein Glück denken, er war betrübt, von der Heimat scheiden zu müssen, von dem Flecke, auf dem er emporgeschossen war; er wusste ja, dass er die lieben, alten Kameraden, die kleinen Büsche und Blumen ringsumher nie mehr sehen werde, ja vielleicht nicht einmal die Vögel. Die Abreise hatte durchaus nichts Behagliches.
Der Baum kam erst wieder zu sich selbst, als er im Hofe mit andern Bäumen abgeladen wurde und einen Mann sagen hörte: “Dieser hier ist prächtig! Wir wollen nur den!“
Nun kamen zwei Diener im vollen Staat und trugen den Tannenbaum in einen großen, schönen Saal. Ringsherum an den Wänden hingen Bilder, und bei dem großen Kachelofen standen große chinesische Vasen mit Löwen auf den Deckeln; da waren Wiegestühle, seidene Sofas, große Tische voll von Bilderbüchern und Spielzeug für hundertmal hundert Taler; wenigstens sagten das die Kinder. Der Tannenbaum wurde in ein großes, mit Sand gefälltes Fass gestellt, aber niemand konnte sehen, dass es ein Fass war, denn es wurde rundherum mit grünem Zeug behängt und stand auf einem großen, bunten Teppich. oh, wie der Baum bebte! Was würde da wohl vorgehen? Sowohl die Diener als die Fräulein schmückten ihn. An einen Zweig hängten sie kleine, aus farbigem Papier ausgeschnittene Netze, und jedes Netz war mit Zuckerwerk gefüllt. Vergoldete Apfel und Walnüsse hingen herab, als wären sie festgewachsen, und über hundert rote, blaue und weiße kleine Lichter wurden in den Zweigen festgesteckt. Puppen, die leibhaft wie die Menschen aussahen - der Baum hatte früher nie solche gesehen -, schwebten im Grünen, und hoch oben in der Spitze wurde ein Stern von Flittergold befestigt. Das war prächtig, ganz außerordentlich prächtig!
“Heute Abend“, sagten alle, “heute Abend wird er strahlen!“ und sie waren außer sich vor Freude.
“Oh“ dachte der Baum, “wäre es doch Abend! Würden nur die Lichter bald angezündet! Und was dann wohl geschieht? Ob da wohl Bäume aus dem Walde kommen, mich zu sehen? Ob die Meisen gegen die Fensterscheiben fliegen? Ob ich hier festwachse und Winter und Sommer geschmückt stehen werde?“
Ja, er wusste gut Bescheid; aber er hatte ordentlich Borkenschmerzen vor lauter Sehnsucht, und Borkenschmerzen sind für einen Baum ebenso schlimm wie Kopfschmerzen für uns andere.
Nun wurden die Lichter angezündet. Welcher Glanz, welche Pracht! Der Baum bebte in allen Zweigen dabei, so dass eins der Lichter das Grüne anbrannte; es sengte ordentlich.
“Gott bewahre uns!“ schrieen die Fräulein und löschten es hastig aus.
Nun durfte der Baum nicht einmal beben. Oh, das war ein Grauen! Ihm war bange, etwas von seinem Staate zu verlieren; er war ganz betäubt von all dem Glanze. Da gingen beide Flügeltüren auf, und eine Menge Kinder stürzte herein, als wollten sie den ganzen Baum umwerfen, die älteren Leute kamen bedächtig nach; die Kleinen standen ganz stumm, aber nur einen Augenblick, dann jubelten sie wieder, dass es laut schallte; sie tanzten um den Baum herum, und ein Geschenk nach dem andern wurde abgepflückt und verteilt.
“Was machen sie?“ dachte der Baum. Was soll geschehen?“ Die Lichter brannten gerade bis auf die Zweige herunter, und je nachdem sie nieder brannten, wurden sie ausgelöscht, und dann erhielten die Kinder die Erlaubnis, den Baum zu plündern. Sie stürzten auf ihn zu, dass es in allen Zweigen knackte; wäre er nicht mit der Spitze und mit dem Goldstern an der Decke festgemacht gewesen, so wäre er umgefallen.
Die Kinder tanzten mit ihrem prächtigen Spielzeug herum, niemand sah nach dem Baume, ausgenommen das alte Kindermädchen, das zwischen die Zweige blickte; aber es geschah nur, um zu sehen, ob nicht noch eine Feige oder ein Apfel vergessen sei.
“Eine Geschichte, eine Geschichte!“ riefen die Kinder und zogen einen kleinen, dicken Mann gegen den Baum hin, und er setzte sich gerade unter ihn, “denn so sind wir im Grünen“, sagte er, “und der Baum kann besonders Nutzen davon haben, zuzuhören! Aber ich erzähle nur eine Geschichte. Wollt ihr die von Ivede-Avede oder die von Klumpe-Dumpe hören, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin bekam?“
“lvede-Avede!“ schrieen einige, “Klumpe-Dumpe!“ schrieen andere. Das war ein Rufen! Nur der Tannenbaum schwieg ganz still und dachte: Komme ich gar nicht mit, werde ich nichts dabei zu tun haben?“ Er hatte ja geleistet, was er sollte.
Der Mann erzählte von Klumpe-Dumpe, der die Treppen hinunterfiel und doch erhöht wurde und die Prinzessin bekam. Und die Kinder klatschten in die Hände und riefen: “Erzähle, erzähle!“ Sie wollten auch die Geschichte von Ivede-Avede hören, aber sie bekamen nur die von Klumpe-Dumpe. Der Tannenbaum stand ganz stumm und gedankenvoll, nie hatten die Vögel im Walde dergleichen erzählt. Klumpe-Dumpe fiel die Treppen hinunter und bekam doch die Prinzessin! Ja, ja, so geht es in der Welt zu!“ dachte der Tannenbaum und glaubte, dass es wahr sei, weil ein so netter Mann es erzählt hatte. “Ja, ja! Vielleicht falle ich auch die Treppe hinunter und bekomme eine Prinzessin!“ Und er freute sich, den nächsten Tag wieder mit Lichtern und Spielzeug, Gold und Früchten und dem Stern von Flittergold aufgeputzt zu werden. “Morgen werde ich nicht zittern!“ dachte er. ich will mich recht aller meiner Herrlichkeit freuen. Morgen werde ich wieder die Geschichte von Klumpe-Dumpe und vielleicht auch die von Ivede-Avede hören.“ Und der Baum stand die ganze Nacht still und gedankenvoll.
Am Morgen kamen die Diener und das Mädchen herein.
“Nun beginnt der Staat aufs neue!“ dachte der Baum; aber sie schleppten ihn zum Zimmer hinaus, die Treppe hinauf, auf den Boden und stellten ihn in einen dunklen Winkel, wohin kein Tageslicht schien. “Was soll das bedeuten?“ dachte der Baum. “Was soll ich hier wohl machen? Was mag ich hier wohl hören sollen?“ Er lehnte sich gegen die Mauer und dachte und dachte. Und er hatte Zeit genug, denn es vergingen Tage und Nächte; niemand kam herauf, und als endlich jemand kam, so geschah es, um einige große Kasten in den Winkel zu stellen; der Baum stand ganz versteckt, man musste glauben, dass er ganz vergessen war.
“Nun ist es Winter draußen!“ dachte der Baum. Die Erde ist hart und mit Schnee bedeckt, die Menschen können mich nicht pflanzen; deshalb soll ich wohl bis zum Frühjahr hier im Schutz stehen! Wie wohlbedacht ist das! Wie die Menschen doch so gut sind! Wäre es hier nur nicht so dunkel und schrecklich einsam! Nicht einmal ein kleiner Hase! Das war doch niedlich da draußen im Walde, wenn der Schnee lag und der Hase vorbei sprang, ja selbst als er über mich hinweg sprang; aber damals mochte ich es nicht leiden. Hier oben ist es doch schrecklich einsam!“
“Piep, piep!“ sagte da eine kleine Maus und huschte hervor; und dann kam noch eine kleine. Sie beschnüffelten den Tannenbaum, und dann schlüpften sie zwischen seine Zweige.
“Es ist eine gräuliche Kälte!“ sagten die kleinen Mäuse. “Sonst ist hier gut sein; nicht wahr, du alter Tannenbaum?“
“Ich bin gar nicht alt!“ sagte der Tannenbaum; “es gibt viele, die weit älter sind denn ich!“
“Woher kommst du?“ fragten die Mäuse, “und was weißt du?“ Sie waren gewaltig neugierig. “Erzähle uns doch von den schönsten Orten auf Erden! Bist du dort gewesen? Bist du in der Speisekammer gewesen, wo Käse auf den Brettern liegen und Schinken unter der Decke hängen, wo man auf Talglicht tanzt, mager hineingeht und fett herauskommt?“
“Das kenne ich nicht“, sagte der Baum; “aber den Wald kenne ich, wo die Sonne scheint und die Vögel singen!“ Und dann erzählte er alles aus seiner Jugend. Die kleinen Mäuse hatten früher nie dergleichen gehört, sie horchten auf und sagten: “Wieviel du gesehen hast! Wie glücklich du gewesen bist!“
“Ich?“ sagte der Tannenbaum und dachte über das, was er selbst erzählte, nach. “Ja, es waren im Grunde ganz fröhliche Zeiten!“ Aber dann erzählte er vom Weihnachtsabend, wo er mit Zuckerwerk und Lichtern geschmückt war.
“Oh“, sagten die kleinen Mäuse, “wie glücklich du gewesen bist, du alter Tannenbaum!“
“Ich bin gar nicht alt!“ sagte der Baum; “erst in diesem Winter bin ich aus dem Walde gekommen! Ich bin in meinem allerbesten Alter, ich bin nur so aufgeschossen.“
“Wie schön du erzählst!“ sagten die kleinen Mäuse, und in der nächsten Nacht kamen sie mit vier anderen kleinen Mäusen, die den Baum erzählen hören sollten, und je mehr er erzählte, desto deutlicher erinnerte er sich selbst an alles und dachte: Es waren doch ganz fröhliche Zeiten! Aber sie können wiederkommen, können wiederkommen! Klumpe-Dumpe fiel die Treppe hinunter und bekam doch die Prinzessin; vielleicht kann ich auch eine Prinzessin bekommen.“ Und dann dachte der Tannenbaum an eine kleine, niedliche Birke, die draußen im Walde wuchs; das war für den Tannenbaum eine wirkliche, schöne Prinzessin.
“Wer ist Klumpe-Dumpe?“ fragten die kleinen Mäuse. Da erzählte der Tannenbaum das ganze Märchen, er konnte sich jedes einzelnen Wortes entsinnen; die kleinen Mäuse sprangen aus reiner Freude bis an die Spitze des Baumes. In der folgenden Nacht kamen weit mehr Mäuse und am Sonntage sogar zwei Ratten, aber die meinten, die Geschichte sei nicht hübsch, und das betrübte die kleinen Mäuse, denn nun hielten sie auch weniger davon.
“Wissen Sie nur die eine Geschichte?“ fragten die Ratten.
“Nur die eine“, antwortete der Baum; “die hörte ich an meinem glücklichsten Abend, aber damals dachte ich nicht daran, wie glücklich ich war.“
“Das ist eine höchst jämmerliche Geschichte! Kennen Sie keine von Speck und Talglicht? Keine Speisekammergeschichte?“
“Nein!“ sagte der Baum.“ “Ja, dann danken wir dafür!“ erwiderten die Ratten und gingen zu den Ihrigen zurück.
Die kleinen Mäuse blieben zuletzt auch weg, und da seufzte der Baum: “Es war doch ganz hübsch, als sie um mich herumsaßen, die beweglichen kleinen Mäuse, und zuhörten, wie ich erzählte! Nun ist auch das vorbei! Aber ich werde gerne daran denken, wenn ich wieder hervor genommen werde.“
Aber wann geschah das? Ja, es war eines Morgens, da kamen Leute und wirtschafteten auf dem Boden; die Kasten wurden weggesetzt, der Baum wurde hervorgezogen; sie warfen ihn freilich ziemlich hart gegen den Fußboden, aber ein Diener schleppte ihn gleich nach der Treppe hin, wo der Tag leuchtete.
“Nun beginnt das Leben wieder!“ dachte der Baum; er fühlte die frische Luft, die ersten Sonnenstrahlen, und nun war er draußen im Hofe. Alles ging geschwind, der Baum vergaß völlig, sich selbst zu betrachten, da war so vieles ringsumher zu sehen. Der Hof stieß an einen Garten, und alles blühte darin; die Rosen hingen frisch und duftend über das kleine Gitter hinaus, die Lindenbäume blühten, und die Schwalben flogen umher und sagten: “Quirrevirrevit, mein Mann ist kommen!“ Aber es war nicht der Tannenbaum, den sie meinten.
“Nun werde ich leben!“ jubelte der und breitete seine Zweige weit aus; aber ach, die waren alle vertrocknet und gelb; und er lag da zwischen Unkraut und Nesseln. Der Stern von Goldpapier saß noch oben in der Spitze und glänzte im hellen Sonnenschein.
Im Hofe selbst spielten ein paar der munteren Kinder, die zur Weihnachtszeit den Baum umtanzt hatten und so froh über ihn gewesen waren. Eins der kleinsten lief hin und riss den Goldstern ab.
“Sieh, was da noch an dem hässlichen, alten Tannenbaum sitzt!“ sagte es und trat auf die Zweige, so dass sie unter seinen Stiefeln knackten.
Der Baum sah auf all die Blumenpracht und Frische im Garten, er betrachtete sich selbst und wünschte, dass er in seinem dunklen Winkel auf dem Boden geblieben wäre; er gedachte seiner frischen Jugend im Walde, des lustigen Weihnachtsabends und der kleinen Mäuse, die so munter die Geschichte von Klumpe- Dumpe angehört hatten.
“Vorbei, vorbei!“ sagte der arme Baum. “Hätte ich mich doch gefreut, als ich es noch konnte! Vorbei, vorbei!“
Der Diener kam und hieb den Baum in kleine Stücke, ein ganzes Bund lag da; hell flackerte es auf unter dem großen Braukessel. Der Baum seufzte tief, und jeder Seufzer war einem kleinen Schusse gleich; deshalb liefen die Kinder, die da spielten, herbei und setzten sich vor das Feuer, blickten hinein und riefen: “Piff, paff!“ Aber bei jedem Knalle, der ein tiefer Seufzer war, dachte der Baum an einen Sommerabend im Walde oder an eine Winternacht da draußen, wenn die Sterne funkelten; er dachte an den Weihnachtsabend und an Klumpe-Dumpe, das einzige Märchen, das er gehört hatte und zu erzählen wusste - und dann war der Baum verbrannt.
Die Knaben spielten im Garten, und der kleinste hatte den Goldstern auf der Brust, den der Baum an seinem glücklichsten Abend getragen hatte. Nun war der vorbei, und mit dem Baum war es vorbei und mit der Geschichte auch; vorbei, vorbei.
Und so geht es mit allen Geschichten!

Der Schneemann zurück zur Übersicht

 Hans - Christian Andersen -

"Es knackt tüchtig in mir, so herrlich kalt ist es!" sagte der Schneemann. "Der Wind kann einem freilich Leben eintreiben. Und wie die Glühende dort glotzt!" - Er meinte die Sonne damit, die eben untergehen wollte. "Sie soll mich nicht zum Blinzeln bringen, ich kann die Brocken schon noch festhalten."
Er hatte nämlich statt Augen zwei große dreieckige Dachziegelbrocken, der Mund war ein Stück einer alten Harke, deshalb hatte er auch Zähne. Er war unter den Jubelrufen der Knaben geboren, begrüßt von Schellengeläut und Peitschenknall der Schlitten.
Die Sonne ging unter, der Vollmond ging auf, rund und groß, klar und schön in der blauen Luft. "Da haben wir sie wieder von einer andern Seite!" sagte der Schneemann. Er glaubte, es sei die Sonne, die sich wieder zeigte. "Ich habe ihr das Glotzen abgewöhnt! Nun kann sie dort hängen und leuchten, damit ich mich selber sehen kann. Wüsste ich nur, wie man es macht, um von der Stelle zu kommen! Ich möchte mich gar zu gern bewegen! Wenn ich es könnte, würde ich nun dort unten auf dem Eise hingleiten, wie ich es die Knaben tun sah; aber ich verstehe nichts vom Laufen."
"Weg! Weg!" bellte der alte Kettenhund; er war etwas heiser, das war er geworden, als er Stubenhund war und hinter dem Ofen lag. "Die Sonne wird dich laufen lehren! Das sah ich bei deinem Vorgänger auch. Weg, weg und weg sind sie alle!"
"Ich verstehe dich nicht, Kamerad!" sagte der Schneemann, "soll die dort oben mich laufen lehren?" Er meinte den Mond. "Ja, sie lief freilich vorhin, als ich sie fest ansah, nun schleicht sie von einer anderen Seite heran."
"Du weißt auch gar nichts!" sagte der Kettenhund, "aber du bist ja auch eben erst zusammengeklatscht worden. Was du nun siehst, heißt Mond, das was fort ging, war die Sonne, sie kommt morgen wieder, sie wird dich schon lehren, in den Wallgraben hinab zu laufen. Wir bekommen bald anderes Wetter, das spüre ich in meinem linken Hinterbein, es reißt darin. Das Wetter schlägt um!"
"Ich verstehe ihn nicht", sagte der Schneemann, "aber ich habe das Gefühl, dass es etwas Unangenehmes ist, was er sagt. Sie, die so glotzte und sich dann davonmachte, die Sonne, wie er sie nennt, sie ist auch nicht meine Freundin, das habe ich im Gefühl!"
"Weg! Weg!" bellte der Kettenhund, ging dreimal um sich selbst herum und legte sich dann in seine Hütte, um zu schlafen.
Das Wetter änderte sich wirklich. Dicker, feuchter Nebel lag gegen Morgen über der ganzen Gegend; als es Tag wurde, begann es zu wehen, der Wind war so eisig, der Frost packte ordentlich zu, aber was war das für ein Anblick, als die Sonne aufging! Bäume und Büsche waren mit Raureif bedeckt, es sah aus wie ein Wald von weißen Korallen, es war, als ob alle Zweige mit strahlend weißen Blüten übersät wären. Die unendlich vielen und feinen Verästelungen, die man im Sommer unter all den Blättern nicht sieht, kamen nun alle einzeln, hervor, es war ein Spitzengewebe und so leuchtend weiß, als ströme ein weißer Glanz aus jedem Zweige. Die Hängebirke bewegte sich im Winde, es war Leben in ihr wie in allen Bäumen zur Sommerzeit, es war eine unvergleichliche Pracht! Und als dann die Sonne schien, nein, wie funkelte das Ganze, als ob es mit Diamantenstaub überpudert wäre, und auf der Schneedecke des Erdbodens glitzerten die großen Diamanten, oder man konnte auch glauben, dass dort unzählige kleine Lichter brannten, weißer als der weiße Schnee.
"Das ist unvergleichlich schön!" sagte ein junges Mädchen, das mit einem jungen Mann in den Garten trat und gerade beim Schneemann stehen blieb, wo sie die flimmernden Bäume betrachteten. "Einen schöneren Anblick hat man selbst im Sommer nicht!" sagte sie, und ihre Augen strahlten.
"Und so einen Kerl wie diesen hier hat man im Sommer erst recht nicht", sagte der junge Mann und zeigte auf den Schneemann. "Er ist ausgezeichnet!"
Das junge Mädchen lachte, nickte dem Schneemann zu und tanzte mit ihrem Freunde über den Schnee dahin, der unter ihnen knirschte, als gingen sie auf Stärkemehl. "Wer waren die beiden?" fragte der Schneemann den Kettenhund, "du bist länger auf dem Hofe als ich, kennst du sie?"
"Versteht sich!" sagte der Kettenhund. "Sie hat mich ja gestreichelt, und er hat mir einen Knochen gegeben, die beiße ich nicht!"
"Aber was stellen sie hier vor? Fragte der Schneemann.
"Grrrrr - raus Leute!" sagte der Kettenhund. "Sie werden in eine Hütte ziehen und zusammen am Knochen nagen. Weg! Weg!"
"Haben die beiden ebensoviel zu bedeuten wie du und ich?" fragte der Schneemann.
"Sie gehören ja zur Herrschaft!" sagte der Kettenhund, "man weiß wirklich ungemein wenig, wenn man gestern erst geboren ist, das merke ich an dir!
Ich habe Alter und Kenntnisse, ich kenne alle hier im Hause! Und ich habe eine Zeit gekannt, wo ich nicht hier in der Kälte und an der Kette lag. Weg! Weg!"
"Die Kälte ist herrlich", sagte der Schneemann. "Erzähle, erzähle! Aber du darfst nicht so mit der Kette rasseln, denn dabei knackt es in mir."
"Weg! Weg!" bellte der Kettenhund. "Ein Hündchen bin ich gewesen, klein und niedlich, sagten sie, damals lag ich in einem Samtstuhl drinnen im Hause, lag im Schoße der obersten Herrschaft, sie küssten mich auf die Schnauze und wischten mir die Pfoten mit einem gestickten Taschentuch ab, ich hieß 'Schönster', 'Pusselpusselbeinchen', aber dann wurde ich ihnen zu groß, sie schenkten mich der Haushälterin, ich kam in die Kellerwohnung! Du kannst hineinsehen von dort aus, wo du stehst, du kannst in die Kammer hinab sehen, wo ich Herrschaft gewesen bin, denn das war ich bei der Haushälterin. Es war ein geringerer Ort als oben, aber hier war es gemütlicher, ich wurde nicht von den Kindern gedrückt und herumgeschleppt wie oben. Ich bekam ebenso gutes Futter wie früher und viel mehr! Ich hatte mein eigenes Kissen, und dann war da ein Ofen, der um diese Zeit das Schönste von der Welt ist! Ich kroch ganz darunter, so dass ich verschwunden war. Ach, von dem Ofen träume ich noch. Weg!"
"Sieht den ein Ofen so schön aus?" fragte der Schneemann. "Hat er Ähnlichkeit mit mir?"
"Er ist gerade das Gegenteil von dir! Kohlschwarz ist er, hat langen Hals mit Messingtrommel. Er frisst Brennholz, dass ihm das Feuer aus dem Munde sprüht. Man muss sich an seiner Seite halten, ganz nahe oder unter ihm, das ist äußerst angenehm. Du muss ihn durch das Fenster sehen können von dort aus, wo du stehst."
Und der Schneemann guckte, und wirklich sah er einen schwarzen Blankpolierten Gegenstand mit Messingtrommel, das Feuer leuchtete unten heraus. Dem Schneemann wurde ganz wunderlich zumute, er hatte ein Gefühl, über das er sich selbst keine Rechenschaft ablegen konnte, es kam etwas über ihn, das er nicht kannte, das aber alle Menschen kenne, wenn sie nicht Schneemänner sind.
"Und warum verließest du sie?" fragte der Schneemann. Er hatte die Empfindung, dass es ein weibliches Wesen sein musste. "Wie konntest du nur so einen Ort verlassen?"
"Ich bin dazu gezwungen worden!" sagte der Kettenhund. "Sie warfen mich hinaus und legten mich hier an die Kette. Ich hatte den jüngsten Junker ins Bein gebissen, weil er mir den Knochen wegstieß, an dem ich nagte, Knochen um Knochen, denk' ich! Aber das nahmen sie übel, und von der Zeit an habe ich an der Kette gelegen und habe meine klare Stimme verloren, höre nur, wie heiser ich bin: Weg! Weg! Das war das Ende vom Liede!"
Der Schneemann hörte nicht mehr zu, er sah in die Kellerwohnung der Haushälterin in ihre Stube hinab, wo der Ofen auf seinen vier eisernen Beinen stand und sich in derselben Größe zeigte wie der Schneemann.
"Es knackt so seltsam in mir!" sagte er. "Soll ich niemals dort hineinkommen? Es ist doch ein unschuldiger Wunsch, und unsere unschuldigen Wünsche werden gewiss in Erfüllung gehen. Es ist mein höchster Wunsch, mein einziger Wunsch, und es wäre fast ungerecht, wenn er nicht erfüllt würde. Ich muss dort hinein, ich muss mich an sie lehnen, und wenn ich auch das Fenster zerschlagen sollte!"
"Dort kommst du niemals hinein", sagte der Kettenhund, "und kommst du an den Ofen, dann bist du weg, weg!"
"Ich bin schon so gut wie weg!" sagte der Schneemann, "ich breche zusammen, glaube ich."
Den ganzen Tag stand der Schneemann da und guckte zum Fenster hinein, in der Dämmerstunde wurde die Stube noch einladender, vom Ofen her leuchtete es so mild, nicht wie der Mond und auch nicht wie die Sonne, nein, wie nur der Ofen leuchten kann, wenn er etwas in sich hat. Ging die Tür auf, so schlug die Flamme heraus, das war so seine Gewohnheit, es glühte ordentlich rot auf in dem weißen Gesicht des Schneemannes, es leuchtete rot über seine Brust.
"Ich halte es nicht mehr aus!" sagte er. "Wie schön es sie kleidet, die Zunge herauszustrecken!"
Die Nacht war sehr lang, aber nicht für den Schneemann, er stand da in seine eigenen schönen Gedanken vertieft, und die froren, dass es knackte.
Am Morgen waren die Kellerfenster zugefroren, sie trugen die schönsten Eisblumen, die nur ein Schneemann verlangen konnte, aber sie verbargen den Ofen. Die Scheiben wollten nicht auftauen, er konnte "sie" nicht sehen. Es knackte, es knirschte, es war gerade so ein Frostwetter, an dem ein Schneemann seine Freude haben muss, aber er freute sich nicht, er hätte sich so glücklich fühlen können und müssen, aber er war nicht glücklich, er hatte Ofensehnsucht.
"Das ist eine schlimme Krankheit für einen Schneemann", sagte der Kettenhund. "Ich habe auch an der Krankheit gelitten, aber ich habe sie überstanden. Weg! Weg! - Nun bekommen wir anderes Wetter!"
Und es gab anderes Wetter, es gab Tauwetter.
Das Tauwetter nahm zu, der Schneemann nahm ab. Er sagte nichts, er klagte nicht, und das ist das richtige Zeichen.
Eines Morgens brach er zusammen. Es ragte etwas wie ein Besenstiel in die Luft, dort, wo er gestanden hatte, um den Stiel herum hatten die Knaben ihn aufgebaut.
"Nun kann ich das mit seiner Sehnsucht verstehen", sagte der Kettenhund, "der Schneemann hat einen Feuerhaken im Leibe gehabt! Das ist es, was sich in ihm geregt hat, nun ist es überstanden Weg! Weg!"
Und bald war auch der Winter überstanden.
"Weg! Weg!" bellte der Kettenhund.
Aber die Mädchen auf dem Hofe sangen:
"Waldmeister grün! Hervor aus dem Haus!
Weide, die wollenen Handschuhe aus!
Lerche und Kuckuck, singt fröhlich drein! -
Frühling im Februar wird es sein!
Ich singe mit: Kuckuck! Quivit!
Komm liebe Sonne, komm oft - quivit!"
Und dann denkt niemand mehr an den Schneemann.

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- Oliver Kalkofe -

Und so begab es sich also zu einer Zeit, dass ein neues Gesetz erlassen wurde von den Königen der GEZ, auf dass ein jeder einzelne sich zählen lasse, und wenn er nur einer sei, er doch ruhig der eitlen Mathematik zum Trotze für zwei Gebühren zahlen solle.
Zu gleicher Zeit verspürte an einem anderen Orte eine blutjunge Endvierzigerin, deren Name Hera war, ein schwänglerisches Rumoren in ihrem Bauche, und weil sie wahrlich ein Superweib war - das wusste niemand so gut wie sie selbst - so ahnte sie, dass dieses Kind von ganz oben, Programmdirektor oder sogar noch höher, gesandt sein musste.
Davon erfuhr auch Jürgen, ein windiger Wanderprediger mit dem wachsamen Blick eines eingeschläferten Cockerspaniels, und da er sich dem lieben Gott als guter Kumpel und Berater wähnte, die blonde Hera aber keineswegs angepackt hatte, vermutete er seine irdische Vaterschaft, denn etwas Ähnliches hatte er schon einmal in seinem dicken Buch gelesen.
So machte Jürgen die Fliege, verließ betroffen seine aufatmende Gemeinde und zog mit Hera durch Lind und Land auf der verzweifelten Suche nach einer Talkshow, die sie als Gäste aufnähme und in der sie den Menschen all das erzählen könnten, was diese gar nicht wissen wollten.
Doch es war Weihnachten und alle Sendungen - von Vera am Mittag "Die Wessis haben krumme Pimmel" über Arabella "Ich nagel gern gepiercte Pferde" bis zu Schäfers Bärbel "Wenn ich so oft könnte, wie ich wollte, dann würde ich viel öfter!" - waren bis zur Antennenspitze gefüllt.
Selbst bei "Wetten, dass...?", wo Michael Jackson wegen einer Hodenzerrung seinen Auftritt abgesagt hatte, verschloss man die Türe vor dem armen Paar und holte sich zum Adventssingen lieber Die Prinzen mit dem Neubrandenburger Tuntenchor im Fistel-Kanon.
Doch als Heiligabend PR - mäßig schon gelaufen schien, da fanden sie Unterschlupf in einem umgebauten Sendestall vom Offenen Kanal, wo Hera gebar einen strammen Stoß heißer Luft und ein gar dickes Buch, was ihr schon lange auf Herzblatt und Magen gedrückt hatte.
Und als die Kunde eines neuen Werks zur Erleuchtung frustgeplagter Fremdsprachen -Sekretärinnen und Friseur - Mätressen um die Erde ging, da kamen sie alle, um der Mutter werbewirksame Gastauftritte darzureichen, profitable Verlagsverträge und altbackene Arschgeigen -Verkupplungs -Shows zum Kaputtmoderieren.
So jauchzten alle glücklich und ein Frohlocken ging um die Erde, denn wenn schon nicht ein neuer Erlöser erschienen war, so doch wenigstens ein ordentlicher Reibach, was ja auch ganz schön war, gerade zum Fest. Frohe Weihnachten!

 

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